Handelsblatt.com 2014-05-15 15:08:54
Die Zinsen für Baugeld erreichen einen neuen historischen Tiefstand.Auch Immobilienbesitzer, deren Kredite erst in einigen Jahren auslaufen, können sich die Minizinsen sichern.Die günstigsten Offerten im Vergleich.
Mario Draghi hat wieder den Finger am Abzug. Gestern meldete die Nachrichtenagentur Reuters mit Bezug auf Insider, dass die Europäische Zentralbank (EZB) für Juni eine Zinssenkung vorbereite. Der Leitzins könnte nach Darstellung eines der Insider beispielsweise von derzeit 0,25 Prozent auf 0,15 oder 0,1 Prozent sinken. So sollen Euro-Stärke und drohende Deflation bekämpft werden.
Laut EZB-Direktor Yves Mersch arbeitet die Zentralbank “mit Hochdruck” an neuen Instrumenten für ihren Werkzeugkasten. Im Juni könnte die EZB Banken, die überschüssiges Geld bei der Zentralbank parken, mit einem Strafzins drohen. Aktuell liegt dieser Einlagensatz noch bei null Prozent.
Wenn EZB-Präsident Mario Draghi die Bazooka herausholt, dann hoffen auch die Immobilienbesitzer in Deutschland auf nochmals sinkende Zinsen. Diesmal könnten die Kreditnehmer bei einer möglichen EZB-Aktion aber leer ausgehen. “Diese Maßnahmen würden bei privaten Baufinanzierungen bestenfalls eine Absenkung der Hypothekenzinsen um einige Basispunkte zur Folge haben”, sagt Gudrun Rehwald, Zinsexpertin bei Feri Eurorating in Bad Homburg.
Die Zinsen für Baugeld orientieren sich an den Konditionen für lang laufende Anleihen und Pfandbriefe. Und die sind historisch niedrig. Seit mehr als einem Monat liegt der Zins von Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit bei unter 1,5 Prozent, aktuell liegt der Satz nur noch bei 1,38 Prozent. “Da ist kaum noch Luft nach unten”, sagt Rehwald.
Deutsche Staatsanleihen sind wegen der Krise in der Ukraine und weiterer geopolitischer Unsicherheiten als sicherer Hafen gefragt. “Wenn sich in der Ukraine-Krise eine Lösung abzeichnet, werden die langfristigen Zinsen und damit auch die Sätze für Baufinanzierungen leicht steigen”, sagt Rehwald.
Mittelfristig seien aber keine Schwankungen um mehr als 0,5 Prozentpunkte zu erwarten. “Erst im weiteren Verlauf von 2015 wird es wieder etwas spannender”, sagt Rehwald. “Wenn die US-Konjunktur besser läuft und die Fed die Zinsen anhebt, wird das dort zu anziehenden Renditen für Staatsanleihen führen. Das hätte auch Einfluss auf die Entwicklung in Europa”.
Bislang zeigt die Zinskurve bei Baufinanzierungen aber nach unten. Nach einer Analyse der FMH Finanzberatung unter 40 Banken beträgt der Zins für ein Darlehen mit einer Zinsbindung von zehn Jahren aktuell im Schnitt 2,3 Prozent.
Gestern wurde bei allen Laufzeiten zwischen 5 und 20 Jahre neue, historische Tiefststände erreicht. Im Schnitt verlangen die Banken gut einen halben Prozentpunkt weniger als noch im September vergangenen Jahres.
Immobilienbesitzer können sich die niedrigen Zinsen sichern, auch wenn ihr Darlehen erst in einigen Jahren ausläuft. Mit Forward-Darlehen lassen sich die aktuellen Konditionen für Anschlussfinanzierungen festschreiben, die maximal in 66 Monaten auslaufen.
Banken verlangen für dieses Sicherheitsprodukt Zinsaufschläge. Vor allem bei langen Vorlaufzeiten sollten Kreditnehmer deshalb gut überlegen, ob sie ein Forward-Darlehen abschließen. Bei einer Vorlaufzeit zwischen vier und fünf Jahren verlangen einige Banken nach einer Auswertung der FMH Finanzberatung Aufschläge von mehr als 1,5 Prozentpunkte.
Forwards lohnen deshalb nur, wenn die Zinsen in Zukunft steigen. “Wer in den letzten zehn Jahren ein Forward-Darlehen abgeschlossen hat, hat eine falsche finanzmathematische Entscheidung getroffen”, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung. Die Zinsen haben sich im Laufe der Jahre verbilligt. “Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hätte der Kreditnehmer am Ende der Zinsbindung für sein Anschlussdarlehen ohne Forward-Darlehen einen besseren Zinssatz erhalten”.
Aber die Zeiten ändern sich. Sehr viel billiger dürfte Baugeld wohl kaum werden. Und selbst wenn kein plötzlicher, starker Zinsanstieg zu erwarten ist, taugen Forward-Darlehen doch als eine Art Versicherung. Immobilienbesitzer wissen schon Jahre im Voraus, wie hoch ihre monatliche Rate ausfallen wird, oder wann ihr Objekt schuldenfrei ist. Ganz egal, wie sich der Zinsmarkt auch entwickeln mag.
Der Vergleich der FMH-Finanzberatung zeigt: Mehr als ein Dutzend Banken und Vermittler bieten Forwards mit einer Zinsbindung von zehn Jahren mit Vorlaufzeiten zwischen zwölf und 24 Monaten bereits zu einem Zins von weniger als 2,5 Prozent an. Mit dem Forward-Darlehen-Vergleich auf Handelsblatt Online lassen sich die individuell günstigsten Konditionen ermittelt.
Besonders begehrt sind aktuell sogenannte Volltilger-Darlehen. Bei solchen Krediten läuft die Zinsbindung bis zur vollständigen Rückzahlung der Schuld. Der Vorteil solcher Darlehen: Banken können Volltilger-Darlehen günstiger refinanzieren als klassische Hypothekenkredite. “Wegen der schnellen, planbaren Entschuldung kann die Bank den Betrag für ein Volltilger-Darlehen zu einem größeren Teil mit kurzfristigen Anlagegeldern refinanzieren”, sagt Herbst. Das ist für die Banken günstiger. “Einige Institute geben diesen verbilligten Geldeinkauf ganz oder teilweise an ihre Kunden weiter”, sagt Herbst.
Volltilger-Darlehen in Kombination mit Forward-Darlehen gibt es mit einer Vorlaufzeit zwischen 12 und 24 Monate und einer Zinsbindung von 15 Jahren laut FMH-Vergleich bei der regionalen PSD Bank Rhein-Ruhr schon ab einem durchschnittlichen Zins ab 2,6 Prozent.
Für eine 20-Jährige Zinsbindung verlangen Vermittler wie Hypotheken Discount, Interhyp oder Dr. Klein bei der gleichen Vorlaufzeit im Schnitt einen Zins rund drei Prozent. Bei 15 Jahre fest liegt die Postbank mit der DSL-Bank als Geldgeber ganz vorne. Bei einer Zinsbindung von 20 Jahren bieten die Allianz Leben oder die Münchener Hypothekenbank als einzige Anbieter bei einem Vorlauf von bis zu 66 Monaten einem Zinssatz von weniger als vier Prozent.