Das Zinstief beutelt die deutschen Sparer.Einige Banken nutzen die Situation aus und bieten ihren Kunden nur Zinsen nahe null Prozent.Wer bei den Sparzinsen knausert und bei den Krediten ungeniert zulangt.
14 Prozent für den Dispokredit, aber nur 0,2 Prozent für das Tagesgeld – wie passt das zusammen? Und wieso lassen Kunden sich das bieten? Anleger reiben sich beim Blick auf die Zinstableaus verdutzt die Augen: Der Markt für Sparkonten und Kredite bietet aktuell ein kurioses Bild. Auf der einen Seite klagen die Institute über das Zinstief, einige bieten ihren Kunden Tagesgeldkonten zu einem Satz knapp über Null an. Auf der anderen Seite schlagen sie bei den Kreditzinsen richtig zu.
Verbraucherschützer monieren, dass die Diskrepanz zwischen Soll- und Habenzinsen immens sei. Manche Banken würden davon sehr gut leben. “Aber leider sind die Deutschen etwas lethargisch, wenn es um ihre Bankverbindung geht”, sagt Thomas Mai, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen. “Und so lassen sie sich dann mit Mini-Guthabenzinsen weit unter Marktdurchschnitt abspeisen und zahlen gleichzeitig viel zu viel für ihren Dispo.”
Der Vorwurf von Marktbeobachtern wiegt schwer. “Einige Banken nehmen das Zinstief nur als Vorwand, um lausige Sparkonditionen zu bieten”, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung. Nur so lässt sich erklären, dass Sparbuchkunden bei der einen Bank nur ein Zehntel dessen ergattern, was andere Institute an Zinsen zahlen. Oder beim Ratenkredit den dreifachen Satz wie in der Regionalbank an der Ecke akzeptieren.
Handelsblatt Online nimmt die erstaunlichen Unterschiede auf dem Zinsmarkt zum Anlass, einmal besonders schlechte Konditionen zu analysieren – und zeigt die Top-Angebote. Auf den folgenden Seiten finden Sie Zinsangebote für Tages- und Festgeld, Sparbücher sowie Raten- und Dispokredite, von denen Sie lieber die Finger lassen sollten. Dabei übernimmt die Redaktion trotz umfangreicher Recherche keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es kann durchaus sein, dass eine der mehr als 2.000 Banken in Deutschland noch schlechtere Konditionen bietet.
Um Ausreden sind die Institute übrigens nicht verlegen. “Wir vergleichen unsere Konditionen regelmäßig mit dem Referenzzinssatz und legen in Verbindung mit eines Margenanspruchs unseres Hauses die Kundenkondition fest”, heißt es bei der Volksbank Leipzig auf Nachfrage, warum das Institut für Tagesgeld aktuell nur 0,2 Prozent zahlt. Der Drei-Monats-Euribor notiert aktuell bei 0,75 Prozent. Noch Ende vergangenen Jahres lag der Satz bei 1,5 Prozent. Andere Banker reagieren schmallippig: “Wollen wir überhaupt so deutlich auf die Fragen (wegen überwiegend negativer Berichterstattung) antworten”, fragt ein Mitarbeiter der Sparkasse Aachen in einer internen E-Mail, die die Banker auch an die Redaktion weitergeleitet hatten. Handelsblatt Online wollte wissen, warum das Institut fürs Sparbuch nur 0,25 Prozent anbietet und nach welcher Vorgabe die Bank ihre Sätze anpasst.
“Die Zahl der voll emanzipierten Kunden, die immer die beste Kondition ergattert dürfte im einstelligen Prozentbereich liegen”, erklärt Hans-Joachim Karopka, Geschäftsführender Gesellschafter des Kölner Marktforschungsinstituts Rheingold im Interview. Bankkunden seien gutmütig und zögen nicht gleich Konsequenzen, wenn sie nicht das beste Angebot ergattern könnten. Angesichts der immensen Unterschiede bei den Konditionen sollten sich viele Kunden trotz aller Verbundenheit mit der Hausbank vielleicht doch nach Alternativen umsehen. “Eine Bank, die sehr gute Sparbriefkonditionen hat, muss nicht zwangsläufig auch günstige Dispo-Zinsen anbieten”, sagt Verbraucherschützer Mai. “Im Gegenteil – bei vielen Instituten gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Produkten.” Eine Sparte sei günstig, eine andere teuer.
Tagesgeld: Zwischenparken mit Minizins
“Sie suchen eine Möglichkeit Ihr Geld kurzfristig zu parken und gleichzeitig eine gute Verzinsung zu erhalten?” Das fragt die Volksbank Leipzig auf ihrer Internetseite und legt ihren Kunden das “VR-Flex”-Tagesgeld wärmstens an Herz. Die Vorteile: jederzeit verfügbar, keine Mindestlaufzeit, gebührenfrei, kein Verlustrisiko, volle Kapitalgarantie. Tagesgeld gehört nicht umsonst zu den liebsten Anlageprodukten der Deutschen.
Beim Blick auf die Konditionen des VR-Flexkontos können sich Anleger dann aber nur wundern: Gerade mal 0,2 Prozent Zinsen für Tagesgeld in Höhe von 5000 Euro? Sieht so ein “gute Verzinsung” aus? Der Zinssatz ist zwar gestaffelt und wächst mit der Anlagesumme. Mehr als 0,6 Prozent gibt es aber nicht – und das auch nur bei Anlagesummen ab 100.000 Euro. Immerhin 1.935 Privatkunden haben ein solches VR-Flexkonto, heißt es bei der Volksbank Leipzig.
Doch warum parken so viele Kunden ihr Geld bei derart mickrigen Zinsen? “Da geht es nur noch um Sicherheit – die Sparkassen, Volksbanken und viele Großbanken gelten nun mal als sicher”, sagt Frank Ebach, Direktor bei der BHF-Bank Niederlassung Köln. “Bei Zinsen von 0,2 Prozent pro Jahr kann man das Geld eigentlich auch unter das Kopfkissen legen.”
Verbraucherschützer können angesichts solcher Minizinsen nur mit dem Kopf schütteln. “Wer seiner Bank ein mehr oder weniger zinsloses Darlehen geben will, der soll es tun”, sagt Thomas Mai, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen. “Kunden sollte aber daran gelegen sein, eine Rendite von mehr als zwei Prozent zu erzielen.” Denn berücksichtigt man die Inflationsrate, dann machen Anleger mit dem VR-Flex und ähnlichen Minizins-Angeboten sogar ein Minusgeschäft. Der mickrige Zins gleicht den Kaufkraftverlust, der mit der Inflation – aktuell liegt diese bei 2,3 Prozent – einhergeht, bei weiten nicht aus.
Es sind allerdings nicht nur Privatkunden mit einigen tausend Euro, die ihr Geld zu den Minizinsen anlegen. Häufig schlummern auch größere Summen auf den schlecht verzinsten Tagesgeldkonten. “Solch niedrige Zinsen akzeptieren institutionelle oder sehr reiche Kunden nur, um kurzfristig Geld zwischenzuparken – bevor sich wieder neue Opportunitäten aufzeigen”, sagt Ebach.
Es gibt aber deutlich bessere Angebote – im Schnitt gibt es für 5000 Euro Tagesgeld 1,54 Prozent Zinsen pro Jahr. Das zeigen aktuelle Daten der FMH-Finanzberatung. Einzelne Anbieter zahlen sogar bis zu 2,75 Prozent Zinsen (siehe Tabelle). “Die derzeitige Konditionsgestaltung bei Wettbewerbern ist keinesfalls marktgerecht und dient vor allem der Generierung von Einlagen aufgrund der steigenden Eigenkapitalvorschriften”, sagt Andreas Angermann von der Volksbank Leipzig.
Übersetzt heißt das: Banken wie Barclays locken mit Spitzenzinsen, um ihr Eigenkapital aufzubessern. Doch davon können Privatanleger profitieren. Allerdings sollten sie genau auf die Konditionen – Stichwort Einlagensicherung – achten. “Bei deutschen Banken und Instituten aus EU-Ländern sind die Einlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro abgesichert”, sagt Verbraucherschützer Mai. “Bei Ländern außerhalb der EU wäre ich etwas vorsichtiger.”
Nicht selten gelten die hohen Zinsen auch nur für Neukunden und sind zeitlich begrenzt. Außerdem bieten nicht alle Banken die deutsche Einlagensicherung oder Schutz über die Bankenverbände. Anleger sollten deshalb unbedingt in die Konditionen schauen, bevor sie sich für ein Produkt entscheiden.
Deutlich mehr als 0,2 Prozent pro Jahr sollten es schon sein. Wer sein Geld nicht bei ausländischen Banken anlegen will, bekommt auch bei heimischen Instituten deutlich bessere Konditionen. Deutschlands größte Direktbank, die Comdirect, bietet beispielsweise für Tagesgeld bis 10.000 Euro 1,75 Prozent pro Jahr. Damit liegt die Commerzbank-Tochter zwar nicht auf den Topplätzen, aber schlägt die Volksbank Leipzig deutlich.
Festgeld: Gebunden an schlechte Konditionen
Gerade mal 0,6 Prozent Zinsen gibt es bei der Stadtsparkasse München – für das Jahr wohlgemerkt. Wer bei den Bayern 5000 Euro für zwölf Monate festlegt, bekommt nur 30 Euro Zinsen. Und die gibt es auch nur in voller Höhe, wenn der Sparer seinen Freibetrag noch nicht ausgeschöpft hat. Ansonsten schlägt auch noch die Abgeltungsteuer zu. Um diese Steuer bereinigt bleiben 22,09 Euro übrig – die Rendite schnurrt auf läppische 0,44 Prozent zusammen, wie die FMH Finanzberatung errechnet hat.
Dabei gilt doch eigentlich die Regel, dass Zinsen steigen, wenn Kunden sich länger binden. Doch dieses Angebot der Stadtsparkasse München schlagen sogar Dutzende Tagesgeldkonten – auch wenn Anleger hier natürlich nicht die Garantie haben, dass der aktuelle Zinssatz auch in zwölf Monaten noch gilt.
Beim Festgeld ist er für die Dauer der Laufzeit garantiert. Die meisten Wettbewerber bieten deutlich bessere Konditionen als die Münchener. Bis zu 3,1 Prozent gibt es derzeit (siehe Tabelle). Im Schnitt bekommen Anleger derzeit 1,68 Prozent, wie die FMH-Finanzberatung ermittelt hat. “Wenn einem sein Geld lieb ist, sollte man es nicht verschenken”, sagt Verbraucherschützer Thomas Mai. “Zinsen unter einem Prozent sollten sie nicht akzeptieren und nach Alternativen suchen.”
Dass die Stadtsparkasse München sich auf ihrer Webseite bedeckt hält, wundert den Experten von der Verbraucherzentrale Bremen nicht. “Institute mit astronomisch niedrigen Zinsen schreiben das nicht gerne auf ihre Homepage”, sagt Mai. Die Münchener informieren nur auf Nachfrage, das Preisleistungsverzeichnis für das Tagesgeld fehlt im Internet.
Wie beim Tagesgeld gilt auch beim Festgeld die Empfehlung, unbedingt die Konditionen zu vergleichen. Die Hausbank muss nicht zwangsläufig die besten Zinssätze bieten. Und bei Summen einer Summe von 10.000 Euro macht ein Zinsplus von einem Prozent immerhin 100 Euro aus – Jahr für Jahr.
Sparbuch: Mickrige Renditen und Strafzinsen
Dass Kunden, die ihr Geld auf das Sparbuch legen, nicht mit üppigen Renditen rechnen können, dürfte sich allmählich herumgesprochen haben. Das Angebot der Sparkasse Aachen überrascht trotzdem negativ. Nur 0,25 Prozent Zinsen erhalten die Sparer, wenn sie sich für die “Sparkassen-Spareinlage” entscheiden.
Die Sparkasse erklärt den Minizins so: Es handele sich nur um einen “Basiszinssatz für Reservebildungen und Ansparungen. Darüber hinaus gibt es auch bei Sparkonten eine Vielzahl anderer Produkte mit attraktiveren Zinssätzen.” Das Institut verfüge bei den Privatkundengeschäft in der Region über einen Marktanteil von 59 Prozent. 335.000 Kunden besitzen knapp 400.000 Sparkonten.
Neben den niedrigen Renditen müssen die Kunden beim Sparbuch produkttypische Nachteile hinnehmen. Die Sparkasse besteht auf eine dreimonatige Kündigungsfrist. Wer der Bank treu bleibt, darf pro Monat nur 2.000 Euro abheben, sonst werden Vorschusszinsen fällig. Wer wissen möchte, wie hoch der Strafzins ist, kann sich am “Aushang im Kassenraum” informieren. Auf der Internetseite ist dazu keine Informationen zu finden. Laut Bank wird – wie üblich bei Sparbüchern – ein Abschlag von 25 Prozent des Guthabenzinses fällig.
Ebenso fehlt ein Referenzzins, an dem Kunden ablesen können, wann die nächste Zinserhöhung fällig wird. Laut Sparkasse orientiert sich die Zinsentwicklung an der Europäischen Zentralbank. Der Leitzins beträgt aktuell ein Prozent.
Niedrige Zinsen haben bei Sparbüchern eine lange Tradition. Laut FMH-Finanzberatung liegen die Zinsen aktuell im Marktdurchschnitt bei 0,6 Prozent. Auf Zehn-Jahres-Sicht beträgt die Rendite weniger als ein Prozent. Zum Vergleich: Der Drei-Monats-Euribor, zu dem sich die Banken untereinander Geld leihen, notierte in der letzten Dekade im Schnitt bei 2,5 Prozent. Die Banken machen im Gegensatz zu ihren Kunden folglich ein gutes Geschäft. Trotzdem liegen laut Bundesbank immer noch ein dreistelliger Milliardenbetrag auf diesen Konten.
“Da viele Kunden trotz schlechter Konditionen ihrem Sparbuch treu bleiben, müssen die meisten Banken nicht mehr bieten”, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. Wer auf das Sparbuch trotzdem nicht verzichten möchte, sollte sich an eine Direktbank wenden. Drei Institute bieten mehr als zwei Prozent Zinsen, inklusive Einlagensicherung nach deutschem Recht und über Bankenverbünde.
Während das Angebot der BMW Bank sowohl für Neukunden als auch für Altkunden gilt, erhalten Interessenten bei der Santander Bank den Satz von 2,25 Prozent nur für Neuanlagen, die in den vergangenen drei Monaten nicht bei der Santander-Gruppe investiert wurden. Immerhin kommen die Kontoauszüge per Post. Auf ein klassisches Sparbuch in Papierform, wie es beispielsweise die Sparkasse Aachen anbietet, müssen Kunden der Hochzinssparbücher verzichten.
Dispokredit: Nah an der Wuchergrenze
Kunden mit Neigung zu Spontankäufen sollten die Targobank lieber meiden. Wer sein “Aktiv-Konto” überzieht, zahlt einen Dispozins in Höhe von 14 Prozent. Über dem geduldeten Limit werden sogar 17 Prozent fällig. Noch teurer sind das Extra-Konto und Classic-Konto. Hier verlangt die Targobank 14,78 Prozent und 17,73 Prozent.
Ärgerlich: Wer sein Konto nur um einige Euro überzieht, muss mit einem Entgelt von 2,95 Euro pro Monat rechnen. Diese Pauschale wird mit den Zinszahlungen verrechnet, wenn diese die Pauschale übersteigt. Wer also sein Konto ein ganzes Jahr konstant um einen Euro überzieht muss mit einem Entgelt von 35,40 Euro rechnen. Umgerechnet in Zinsen würde der Satz bei 3540 Prozent liegen. Damit nicht genug: Auch Sonderwünsche kosten einen Aufschlag. Die Targobank verlangt etwa für die Änderung des Kreditrahmens zehn Euro.
Die Targobank rechtfertigt sich: Das Aktivkonto sei ab einem Zahlungseingang von 600 Euro im Monat gebührenfrei. Andere Banken würden höhere Gebühren verlangen. “Die Zahl der Aktiv-Konten hat sich im vergangenen Geschäftsjahr auf 350.000 annähernd verdoppelt – offenbar sind die Kunden mit dem Leistungsangebot dieses Produkts insgesamt sehr zufrieden”. Die Bank würde Kunden Ratenkredite empfehlen. Beim Best-Konto, dass Kunden abschließen können die mindestens 2.500 Euro anlegen, läge der Zinssatz bei zehn Prozent.
Die Dispozinsen sind im Marktschnitt erstaunlich hoch. Mindestens vier Institute, darunter die Berliner Sparkasse, Frankfurter Sparkasse, Commerzbank und Postbank verlangen Sätze von mehr als 13 Prozent. Laut FMH-Finanzberatung zahlen die Kunden im Schnitt einen Zins von 11,2 Prozent. Über dem Limit liegt der Durchschnitt sogar bei 15,6 Prozent. Zum Vergleich: Tagesgelder rentieren im Schnitt bei 1,5 Prozent.
Die Konditionen rufen Verbraucherschützer auf den Plan. “Die Zinsen für Dispokredite sind viel zu hoch und müssen endlich runter”, sagt Frank Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
Einen Angriffspunkt sehen die Kundenvertreter in den Geschäftsbedingungen der Banken. “Die Zinshöhe ist das eine Ärgernis, die Willkür bei der Zinsgestaltung das andere. Verbraucher müssen nachvollziehen können, wie und wann sich die Zinsen verändern”, fordert Gerd Billen, Vorstand beim Verbraucherzentrale Bundsverband. Bestimmte Klauseln würden die Kunden benachteiligen, da nicht erkennbar sei, wann und unter welchen Voraussetzungen der Zins angepasst werden sollte.
Die ING DiBa gab die geforderte Unterlassungserklärung ab, Targobank und Sparda-Bank Münster nicht. Die Verbraucherzentrale NRW zog vor Gericht, beide Klagen waren in der ersten Instanz erfolgreich. Die Sparda-Bank Münster legte dagegen keine Berufung ein. In Zukunft können Kreditnehmer deshalb auf Erstattung hoffen, bislang fehlt aber ein höchstrichterliches Urteil.
Auch ohne finale juristische Klärung sollten Kunden mit knapper Kalkulation der privaten Finanzen die Bank wechseln. “Dispokredite sind kein schlechtes Produkt”, sagt Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. “Wer zügig mit dem Gehalt tilgt, steht trotz hoher Zinsen oft besser da als mit einem Ratenkredit”. Der günstigste Anbieter nimmt für den Dispo nur 5,5 Prozent. Das ist nicht einmal halb soviel wie die meisten Großbanken.
Ratenkredit: Teurer als mancher Dispo
Wie weit Wunsch und Wirklichkeit im Bankgeschäft auseinander liegen, mussten viele Kunden der Hypo-Vereinsbank erkennen. Die Tochter der italienischen Unicredit wirbt auf der Internetseite für ihren “Komfortkredit für 1,99 Prozent für Neukunden”. Diese Kondition erhält aber nur wer genau 2.500 Euro für 12 oder 24 Monaten benötigt..
Ein Blick ins Preis-Leistungsverzeichnis zeigt, dass die Zinsen für Kredite mit einer Laufzeit zwischen zwölf und 23 Monaten zwischen 4,99 Prozent und 9,99 Prozent liegen. Bei Laufzeiten zwischen 24 und 84 Monaten liegen die üblichen Sätze zwischen 10,99 Prozent und 15,99 Prozent. Ein Praxistest für Handelsblatt Online zeigt, dass für ein Darlehen in Höhe von 10.000 Euro bei üblicher Zahlungsfähigkeit ein Zinssatz von 10,99 Prozent fällig wird.
Anfang des Monats stellte die Hypo-Vereinsbank die Berechnung der Konditionen um. “Wir haben jetzt auch in den Filialen ein risikobasiertes Preissystem eingeführt”, sagt ein Sprecher der Hypo-Vereinsbank. Ob sich die Konditionen für die Mehrzahl verändert haben, teilt das Institut nicht mit.
Zusatzoptionen und Gebühren können die Kosten für den Kredit weiter in die Höhe treiben. Das Institut verlangt Gebühren für die Berechnung des Ablösebetrages, Strafzinsen bei Zahlungsverzug oder Entgelte für die Erteilung einer Bankauskunft.
Beim Abschluss können Versicherungsprämien für Restschuldversicherungen den Kredit verteuern. “Wir raten grundsätzlich davon ab, eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung oder eine Restschuldversicherung abzuschließen”, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Daran würden manche Banken gewaltig verdienen. “Wenn man die Gebühren einer solchen Versicherung einrechnet, betragen die Kreditkosten oft nicht mehr zwölf, sondern zwanzig oder dreißig Prozent”, sagt Nauhauser. Nach seinen Angaben seien die Bedingungen häufig so schlecht, dass man nicht viel von der Versicherung erwarten kann, wenn tatsächlich ein Schaden eintritt.
Auch besonders solvente Kunden zahlen drauf: Wer seinen Kredit vorzeitig zurückzahlen möchte, muss mit einer Vorfälligkeitsentschädigung rechnen. Die kann auch bei Teilbeträgen fällig werden. Wie hoch dieser Satz ausfällt steht nicht in dem Preisaushang. Bei Krediten mit mehr als zwölf Monaten Restlaufzeit darf sie laut Verbraucherkreditrichtlinie maximal 1,0 Prozent betragen, bei kürzerer Restlaufzeit bis zu 0,5 Prozent. Das Bearbeitungsentgelt in Höhe von 40 Euro soll laut Bank mit diesen Vorgaben verrechnet werden.
Viele Großbanken bieten aktuell hohe Zinsen. Die Commerzbank und Deutsche Bank für ein Darlehen über 10.000 Euro und einer Laufzeit von 36 Monate ebenfalls mehr als zehn Prozent Zinsen. Im Schnitt liegen die Sätze laut FMH-Finanzberatung bei 6,8 Prozent. Zum Vergleich: Einjährige Festgelder werden aktuell mit durchschnittlich 3,1 Prozent verzinst.
Kunden auf der Suche nach einem bezahlbaren Kredit meiden daher die Großbanken und suchen bei Direktanbietern oder Regionalbanken. Im Zinsvergleich der FMH-Finanzberatung für das Handelsblatt gibt es 10.000 Euro bei einer Laufzeit von 36 Monaten bei der Sparda-Bank Nürnberg schon zu einem Satz von 4,33 Prozent. Im Vergleich belegen regionale Sparda-Banken und PSD Banken vorne. Wer nicht zufällig in der Nähe einer dieser Institute wohnt, kann sich an die C&A Money Bank wenden. Das Institut verlangt für das Darlehen aus dem Vergleich einen Zins von 5,41 Prozent.
Hagen, Jens
Schwarzer, Jessica
05. April 2012